Blatt aus einer Gutenbergbibel

Seite: Gutenbergbibel
Eine Seite der Gutenbergbibel, Exemplar der Mannheimer Hofbibliothek
Deutsches Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig

Blatt aus einer Gutenbergbibel

Wer hat die Bibel zerschnitten?

Leser: Halten Sie etwas inne, denn Sie schauen  – vielleicht zum ersten Mal – auf eine Seite aus der echten Gutenberg-Bibel, dem kostbarsten Druckerzeugnis auf der Welt, und bekanntermaßen auch dem frühesten. Wahrlich ein prächtiges Fragment!

A. Edward Newton, A noble fragment, 1921

Dieses Einzelblatt aus einer Gutenberg-Bibel kaufte das Leipziger Buch- und Schriftmuseum 1956 beim Antiquariat Menno Hertzberger in Amsterdam als Ersatz für das kriegsbedingt nach Moskau verbrachte Exemplar. Erst vor kurzem konnte das Rätsel um die Provenienz dieses Blattes gelöst werden: In der Frühdruckzeit war ein Buch noch nicht fertig, wenn es aus der Druckpresse kam. Jedes Exemplar eines solchen Frühdrucks, auch Inkunabel genannt, wurde noch von Hand rubriziert, mit Buchschmuck oder Illuminationen, Kapitelnummern und Überschriften versehen und damit zum Unikat gemacht. Diese Merkmale ermöglichen die Zuordnung von Einzelblättern zu bestimmten Exemplaren der Gutenberg-Bibel, wenn deren Geschichte noch bekannt ist. Im vorliegenden Fall war die Identifikation nicht ganz einfach, da die Begleitpublikation schon vor der Veräußerung durch Hertzberger verlorengegangen war.

Jedoch weisen die spezifischen Merkmale das Blatt als Teil derjenigen Gutenberg-Bibel aus, die im 18. Jahrhundert zunächst im Besitz von Maria Elisabeth Augusta von Sulzbach, danach der Mannheimer Hofbibliothek war. 1803 kam sie an die Königliche Hof- und Staatsbibliothek München, wo sie 1832 als Dublette versteigert wurde. Käufer war der englische Sammler Robert Curzon Baron Zouche, in dessen Familie die Bibel bis 1920 verblieb. In diesem Jahr ließ Mary Cecil Frankland, Baroness Zouche, das Exemplar bei Sotheby’s (Auction Nov. 1920, Lot 70) versteigern. Es ging an Joseph Sabin, der es kurz darauf an den Antiquar Gabriel Wells in New York weiterverkaufte. Dieser steigerte die Verkaufsmöglichkeiten der beschädigten Bibel dadurch, dass er sie in Einzelblätter zerlegte und diese – jeweils mit einem Essay von A. Edward Newton versehen – zu neuen Publikationen zusammenfügte. 600 Einzelblätter, so hoch war die Auflage, konnte er in dieser Form veräußern. Diese Praxis des Antiquariatshandels wird heute sehr kritisch gesehen. Noch immer tauchen heute Seiten des Mannheimer Exemplars im Handel auf und erzielen hohe Verkaufspreise.