Blindenschrift
Blindenschrift
Der Grundgedanke (…) besteht darin, den Mangel des Gesichtssinnes durch die Betätigung des Tastsinnes zu ersetzen (…)
Valentin Haüy, 1784
Zeichen und Schrift sind grundlegende Elemente unserer Gesellschaft zur Fixierung und Weitergabe von Informationen. Die Redewendung „Etwas schwarz auf weiß haben“ beschreibt dabei am besten, in welcher Form Menschen mit intaktem Sehsinn Schrift aufnehmen – optisch – als „schwarze“ Zeichen auf „weißem“ Grund, daher bis heute auch als Schwarzschrift bezeichnet. Während ein sehender Mensch also geschriebene oder gedruckte Zeichen über seine Augen wahrnimmt, benötigen blinde Menschen dafür einen anderen Sinn. Sie begreifen ihre Umwelt neben ihrem ausgeprägten Gehör zum Großteil über den Tastsinn ihrer Hände. Dies erfordert eine spezielle Form von tastbarer Schrift – die Blindenschrift, wobei grundlegend zwischen Punkt- und Reliefschriften unterschieden wird.
Während bei Reliefschriften wie zum Beispiel dem Moonalphabet Buchstaben in ihrer normalen Form oder vereinfacht als geometrische Figuren fühlbar dargestellt werden, übersetzen Punktschriften Buchstaben, Zahlen und andere Zeichen – sogar Noten – gemäß einem Code in bestimmte, ertastbare Muster aus Punkten. Heute wird unter Blindenschrift zumeist verallgemeinernd die sogenannte Brailleschrift verstanden. Dieses Punktschriftsystem, benannt nach seinem Erfinder, dem Franzosen Louis Braille, basiert auf einem Raster von sechs Punkten mit 64 Kombinationsmöglichkeiten. Die Brailleschrift ist bis heute die weltweit bekannteste Blindenschrift und hat an zahlreichen Stellen Eingang in unseren Alltag gefunden, beispielsweise als Wegweiser auf Handläufen oder auf Medikamentenpackungen. Die Übertragung von Literatur in Braille ist jedoch bis heute sehr aufwendig und kostenintensiv, Bücher in Brailleschrift haben oft einen immensen Umfang. Die Entwicklung neuer Hard- und Software wie der Braillezeile, Screenreadern, Punktschriftdruckern oder speziellen Apps ermöglicht blinden und sehbehinderten Menschen im Zeitalter zunehmender Digitalisierung auch computergestützte Informationen, beispielsweise im World Wide Web, zu nutzen.