Die chinesische Schrift

Objekt: Stele zur Abwehr böser Geister
Stele mit Inschrift und Schutzgottheit zur Abwehr böser Geister, undatierte Kopie, Fotografie: Punctum, Bertram Kober
Deutsches Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig

Die chinesische Schrift

Zeichen in Hülle und Fülle

Die Welt ist der Meinung, dass diejenigen, welche die chinesischen Schriftzeichen kennen, weise und achtbar sind, während jene, die diese Schriftzeichen nicht kennen, Simpel und Tölpel sind.

Zeng Quiao, Tongzhi, um 1150

Mit ihrer verwirrenden Vielfalt und grafischen Eigenart ist die chinesische Schrift seit fast 4.000 Jahren in ständigem Gebrauch. Orakel-Inschriften auf Schildkrötenpanzern und Knochen sind die ältesten bekannten Zeugnisse. Steine, Bronzegefäße, Holzstäbe, Papier und Seide kamen als Schriftträger hinzu. Aus einer archaischen Bilderschrift entwickelten sich Wortzeichen, die bedingt durch die chinesische Sprache jeweils eine Silbe bezeichnen und sich nicht an der Lautung, sondern an der Wortbedeutung orientieren. Symbole für Zahlen, Töne usw., entlehnte, lautangebende und deutende Zeichen komplettierten das Schriftsystem. Daher können die Bedeutungsunterschiede von Worten mit gleicher Lautung und gleichem Ton individuell ausgedrückt werden. Bis heute hat sich die logografische Schreibweise in China erhalten.

Die zahlreichen regionalen Ausprägungen (Zhòu-Schrift, Siegel-Schrift, Kurial- und Konzeptschrift, Normschrift etc.) wurden in Schriftreformen ─ erstmals um 220 v. Chr., letztmals 1955 ─ vereinfacht und vereinheitlicht. Dennoch führen die großen chinesischen Zeichenlexika immer noch 50.000 bis 80.000 verschiedene Schriftzeichen. Punkte, Linien und Haken bilden die Grundstruktur der Schriftzeichen, die nach einem bestimmten Bewegungsprinzip gesetzt werden. Hochkomplizierte Zeichen können bis zu 64 Striche umfassen, im Alltag sind sieben Striche für ein Zeichen ausreichend.