Initiale
In der Ornamentik der Initialen ist durch mehr als tausend Jahre ein wertvolles Material für die Geschichte der Kunststile aufgehoben.
Friedrich Bauer, Die Initialen und ihre Anwendung in alter und neuer Zeit, 1902
Zierbuchstaben, die ein Buch einleiten, Kapitel markieren oder als Schmuckform eine ganze Seite einnehmen, sind in der heutigen Bücherwelt kaum mehr anzutreffen. Ausnahmen bilden die Kinderbücher und bibliophilen Drucke. Ob handgemalt, mit Blattgold erhöht, in Holz geschnitten, in Kupfer gestochen, als Typenform oder nach illustrativem Entwurf ausgebildet – Initialen beleben die geschriebenen oder gedruckten Texte seit Jahrhunderten. Vom Mittelalter bis zum 16. Jahrhundert gehörten sie als Gliederungs- und Schmuckelemente zum Grundrepertoire der Buchausstattung. Pflanzenornamente, Leiber von Tieren und Fabelwesen, abstraktes Flecht- und Bänderwerk sowie figürliche oder architektonische Darstellungen bildeten den facettenreichen Motivkanon. Während im Barock die kalligrafische Ausformung bis hin zum übertriebenen Schnörkelwerk dominierte, fand die Initiale im Klassizismus eher schlichte, typografische Ausprägung. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts widmeten sich Schrift- und Buchkünstler mit ganz individuellen, eher sachlich orientierten Formbestrebungen dem Kleinod der Buchgestaltung.