Schriften der Welt
Schrift ist das Bild der Stimme; je mehr es dieser gleicht, desto besser ist es.
Voltaire, Dictionnaire philosophique, 1764
Im Vergleich zu den Sprachen ist die Schrift kulturgeschichtlich weitaus später entstanden – und zwar zunächst als unabhängiges Zeichensystem, das neben der Mitteilung vor allem der Erinnerung diente: Von frühen Hilfsmitteln wie Kerbholz, Knoten und Schnüren sowie nonverbalen Gebärden führt die Entwicklung zu darstellenden Bildzeichen, in denen das Gemeinte erst abbildhaft-konkret, später in symbolischer Abstraktion bezeichnet wurde. Erst danach näherten sich Sprache und Schrift aneinander an: Wörter, Silben und Buchstaben wurden als Laute schriftlich fixiert. Als erste Schrift, die sich nach und nach zu einem solchen phonologischen System entwickelte, gilt die sumerische Keilschrift, die am Ende des vierten Jahrtausends vor Christus in Mesopotamien entstand. Andere schriftartige Symbole wie etwa die chinesischen Jiahu- (rund 6.600 v. Chr.) oder die osteuropäischen Vinča-Zeichen (ca. 5.500 v. Chr.) sind sogar noch älter.
Nach Auffassung des britischen Linguisten David Diringer hat vor allem die Religionszugehörigkeit von Völkern bei der weiteren Verbreitung der Schriften auf der Erde eine große Rolle gespielt. Heute zählen die lateinische, die arabische, die kyrillische und die chinesische Schrift zu den meistverwendeten Schriftensystemen der Erde. Die ersten drei funktionieren auf der Grundlage sprachlicher Lautentsprechungen (Alphabet), letztere basiert auf grafischen Zeichen mit festem Bedeutungsgehalt (Logografie). Unterschiede gibt es auch in der Schreibrichtung. Für spezielle Einsatzgebiete gibt es Sonderformen wie verschlüsselte Geheimschriften oder schnell zu erstellende Kurzschriften.