Bibliothekare
Ich stelle mir den Bibliothekar der Zukunft als einen Filter vor zwischen Mensch und Bücherflut.
José Ortega y Gasset (1883-1955)
Als Hüter und Verwalter von erworbenem Wissen zählt der Bibliothekar zu den ältesten Berufsständen der Menschheit. Nachdem in der Antike zunächst oft Sklaven, im Mittelalter dann vor allem Mönche die Bibliotheken verwalteten, entwickelte sich die Tätigkeit nach der Erfindung des Buchdrucks zu einer bürgerlichen Berufsform. Unter anderem arbeiteten berühmte Intellektuelle wie Gottfried Wilhelm Leibniz, Gotthold Ephraim Lessing oder die Gebrüder Grimm als Bibliothekare. Eine erste regelrechte Berufsausbildung wurde 1864 in München eingeführt, in Preußen erfolgte eine Institutionalisierung 1909. Heute existieren unterschiedliche bibliothekarische Laufbahnen und Dienststufen. Erwerbung, Katalogisierung und Benutzung von Medien bilden die drei Hauptarbeitsbereiche.
Trotz seiner nicht zu unterschätzenden kulturhistorischen Verdienste haben die spezifischen Umstände bibliothekarischer Arbeit zu seiner öffentlichen Stereotypisierung als Sonderling geführt. Die Klischees des schrulligen, weltfremden Bücherwurms oder der blutleer wirkenden grauen Maus mit Hornbrille und Haarknoten finden sich in mannigfaltiger Ausprägung in Literatur und Film. Sie wurzeln in der hermetischen Abgeschiedenheit bibliothekarischer Tätigkeit in früheren Zeiten, in der Funktion des Bibliothekars als Hüter des Wissens vergangener Tage und in seiner assoziativen Verortung in der scheinbar sinnenfeindlichen Sphäre des Geistes. Dementgegen steht ein sehr viel positiveres Selbstbild der Bibliothekare, die sich gerade vor dem Hintergrund der drastischen Umbrüche des Berufes in den letzten Jahren als moderne Dienstleister sehen.