Ulrich Bräker
welche – wollust – mich – bey einsamen stunden mit so viel menschenfreünden zu unterhalten – grosser – edler seelen aus allen gegenden unsers welttheils – jhre gedanken zulesen – warlich ein seltenes glük
Ulrich Bräker, Selbstgespräch, Tagebucheintrag vom 6. März 1787
Der Tagelöhner, Kleinbauer und Garnhausierer aus dem Kreis Toggenburg in der Ostschweiz hatte eine Leidenschaft: Lesen und seine Welt- und Lesersicht beschreiben. Ob in seiner Autobiografie oder in seinen ab 1768 geführten Tagebüchern – stets dokumentierte Ulrich Bräker seine geistige Parallelwelt inmitten des bäuerlichen, ärmlichen Alltags. Mit der Hilfe Johann Wilhelm Ambühls, des Pfarrers seiner Heimatgemeinde, fanden seine Schriften später eine Publikationsplattform im renommierten Verlag des Züricher Historikers Hans Heinrich Füssli.
1780 verfasste Bräker seine Kommentare zum Werk William Shakespeares. In der bürgerlichen Lesegesellschaft von Lichtensteig, in der er literarische Gesprächspartner und Zugang zur Unterhaltungsliteratur fand, blieb er freilich zeitlebens ein Kuriosum: ein bald gerühmter Bauernliterat und doch ein armer Mann, der sich mit seiner Frau um jede Nutzung des kostbaren Leselichts streiten musste.