Elektronisches Weltdorf
Elektronisches Weltdorf
Das elektronische Weltdorf ist mittlerweile nicht mehr Science Fiction (…), sondern Glasfaserkabelwirklichkeit.
Norbert Bolz, Am Ende der Gutenberg-Galaxis, 1993
In seinem 1962 erstveröffentlichten Buch The Gutenberg Galaxy (dt.: Die Gutenberg-Galaxis) formulierte Marshall McLuhan seine berühmte Prognose, dass die Welt im Zuge einer zunehmenden interkontinentalen Vernetzung mehr und mehr zu einem globalen Dorf zusammenwachse. Dieser Prozess des stärkeren kommunikativen Austauschs ließ ihm zufolge eine Abkehr von der individualistischen Bücherkultur der Neuzeit erwarten: Statt sich selbst durch individuelle Lektüre ein Bild von den Dingen zu machen, werde der einzelne in der vernetzten Welt wieder stärker Teil einer kollektiven Identität nach dem Vorbild vormoderner Stammeskulturen. Angesichts der daraus resultierenden Risiken – etwa totalitaristischer Vereinnahmung – forderte der Medientheoretiker einen verantwortungsbewussten Umgang mit den neuen medialen Möglichkeiten ein.
In seiner Auseinandersetzung mit McLuhan griff der Berliner Medientheoretiker Norbert Bolz den Begriff des elektronischen Weltdorfes wieder auf. Seiner Meinung nach sei es inzwischen von einer Utopie zur Realität geworden. Prägende Merkmale dieser Wirklichkeit sind unter anderem eine globalisierte Wirtschaft, eine Tendenz zu entmaterialisierten Produkten sowie eine dezentralisierte Organisationskultur. McLuhans These wurde zwischenzeitlich von Philosophen wie Manuel Castell und Paul Virilio und Sozialpsychologen wie Stanley Milgram (Kleine-Welt-Phänomen, 1967) theoretisch weiterentwickelt und empirisch erforscht.