Originale und Kopien

Objekt: Briefkopierpresse
Eine Kopie für den Absender: Briefkopierpresse um 1900. Die zweisäulige schwarz lackierte Spindelpresse mit Golddekor diente zur Anfertigung einer Briefkopie. Dabei wurde das Schriftbild von der Rückseite her unter Druck in ein Kopierbuch aus sehr dünnem Papier, das jeweils blattweise angefeuchtet wurde, übertragen.
Deutsches Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig, Fotografie: Michael Setzpfandt

Originale und Kopien

Vom Wert der Echtheit

Der gesamte Bereich der Echtheit entzieht sich der technischen – und natürlich nicht nur der technischen – Reproduzierbarkeit.

Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, 1935

Die Anfertigung einer möglichst identischen Zweitschrift – auch Kopie oder Duplikat genannt – gehört zu den uralten Bedürfnissen von Schriftkulturen. Im Briefwechsel wollen Absender und Empfänger Zugriff auf dasselbe Dokument haben, sei es ein Zeugnis, ein Vertrag oder andere Bescheinigungen. Es gibt dabei sehr unterschiedliche Grade der Authentizität. Einige Formen zielen nur auf den Wortlaut, andere streben eine identische Textgestalt an. Verfahren der Authentifizierung und Beglaubigung zum Beispiel durch Notare gehören zur gesellschaftlichen Praxis der Schriftkultur. Doch was ist im digitalen Zeitalter das Original, was die Kopie, woran erkennt man die Echtheit einer Datei, einer Bildschirmanzeige oder eines Computerausdrucks? 

Walter Benjamin nennt in seinem berühmten Aufsatz Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit von 1935 insbesondere die Fotografie als technisches Medium der Kunst: „Von der photographischen Platte z. B. ist eine Vielheit von Abzügen möglich; die Frage nach dem echten Abzug hat keinen Sinn.“ Er beschreibt somit die Auflösung der alten Kategorien Original und Kopie im Zeitalter der Reproduktionsmedien.