Peter Lotar, Anstellungsvertrag Städtebundtheater Biel-Solothurn, 1940
Peter Lotar, Anstellungsvertrag Städtebundtheater Biel-Solothurn, 1940
Der Direktor lädt mich ein zum Mittagessen – meine erste warme Mahlzeit in diesem Land. […] „Mehr kann ich nicht zahlen als monatlich zweihundert, wo ich doch Sie garr nicht brrauche – “, sein Auge sieht mich begehrlich an, „ – aber weil mirr gefallen, sagen wir brrutto zwohundertfünfundzwanzig Franken.“ Hätte er zwo Franken fünfundzwanzig gesagt, ich wäre auch einverstanden, es bedeutet: bleiben dürfen. Feiel füllt den Vertrag aus und überreicht ihn mit einer Grandezza, als wär’s die Nobelpreisurkunde; und ich hätte nicht getauscht. „Unterschreiben.“
Auszug aus Peter Lotars Roman Das Land das ich dir zeige über seine Ankunft in Solothurn
Als Peter Lotar im Mai 1939 nach seiner Flucht aus Prag in der Schweiz anlangt, kann er auf ein gutes Jahrzehnt Bühnenerfahrung zunächst 1928–1930 als Schüler an der von Max Reinhardt gegründeten Schauspielschule in Berlin, anschliessend als Schauspieler in Breslau, Mährisch-Ostrau und 1933–1939 am Prager Stadttheater sowie dem Nationaltheater zurückblicken. Aufgrund seiner Zweisprachigkeit kam Lotar ebenso für tschechische wie für deutsche Rollen in Frage. In eines seiner grossformatigen Erinnerungsbücher klebte der Künstler später seinen ersten, für den weiteren Aufenthalt und sein Auskommen im Gastland so existentiellen Anstellungsvertrag am Städtebundtheater Biel-Solothurn für die Spielzeit 1939/40 ein, der auf ein Jahr befristet war. Wie prekär Lotars Lage gleichwohl blieb, belegen nicht nur seine Ausführungen im autobiografischen Roman Das Land das ich dir zeige, sondern auch die unterste Zeile des Vertrags selbst, die unmissverständlich festhält: «Dieser Vertrag hat nur Gültigkeit, wenn die Arbeitsbewilligung von der Eidgen. Fremdenpolizei erteilt wird.» Lotar vermochte nicht zuletzt dank der Fürsprache des Künstlerehepaars Marguerite und Viktor Surbek seine Aufenthaltsbewilligungen und Verträge jeweils zu verlängern, so dass er bis 1946 als Schauspieler und später auch als Dramatiker dem Theater erhalten blieb.
Weiterführende Literatur:
Kuklová, Michaela: Peter Lotar (1910–1986). Kulturelle Praxis und autobiographisches Schreiben. Köln: Böhlau 2019.